Eine Marketenderin mit Leib und Seele


Eine Marketenderin mit Leib und Seele! Wenn’s „ihren Jungs“ gut geht, geht’s ihr auch gut!

Und dafür tut sie so einiges: Wäsche waschen und Hosen flicken, Besorgungen erledigen und Botengänge verrichten, kochen und ausschenken, massieren und zuschlagen…

 

Für drei Dinge ist sie bekannt:

  1. den Ak’Maranter Bauerntopf – frei nach dem Rezept „Einmal quer durch den Gemüsegarten und alles rein, was weg muss!“ Immer lecker, immer anders, immer leer.
  2. ihre Massagen – egal, ob die Schultern unter der Rüstung verkrampfen, die Füße nach langen Märschen schmerzen oder Mann/Frau einfach Entspannung sucht, bei Lilly werden sie alle wieder munter und glücklich. Verschiedene Öle und Düfte helfen dabei, je nach Kundenwunsch. Oder auch eine Wasserpfeife und ein Becher Wein.
  3. ihr Nudelholz – verschiedene freche Bengels und einige Feinde Ak’Marants können Näheres darüber berichten…

 

Das gelegentlich recht kommandofreudige Weib kann sich allerdings auch sehr benehmen, wenn die Tischrunde entsprechende Manieren verlangt. Schließlich hat sie schon reichlich Adelige aller Herren Länder bewirtet und weiß, was sich gehört. Wenn nur die vielen verschiedenen Titel und Anreden nicht wären… damit hat sie’s nicht so und kommt in aller Regel auch durch mit einem einfachen „Herr“. Wieso sollte man sich die Welt außerhalb auch komplizierter machen, als man es von zu Hause gewöhnt ist? Wer meint, sich auf besondere Anreden versteigen zu müssen, der wird wohl nie gut Freund mit Lilly werden können. Denn das erinnert doch zu sehr an den Neuandorischen Adel und mit dem hat sie’s auch nicht so: Die Sklavenhalterei ist ihrer Meinung nach nur der Gipfel vieler schlimmer Eigenheiten…

 

Lilly ist Ak’Maranterin durch und durch. Wem im Leben so viel Glück zuteil wurde, dass er in Ak’Marant als Marketenderin leben darf, der wird nie an der ewigen Gnade und den Gesetzen des Heiligen Paares zweifeln. Der hat die Gastfreundschaft im Blut und für den ist ein Tisch nur dann ordentlich gedeckt, wenn doppelt so viele daran satt werden, wie eigentlich eingeplant waren. Und für den wird es nie irgendwelche Diskussionen mit Nekromanten, Chaospredigern oder Untoten geben…

 

Allerdings hat sie mittlerweile auch gelernt, dass es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grau gibt. Auf ihren Reisen durch viele merkwürdige, fremde Lande mit dem Herrn Tristan blieb es nicht aus, dass sie allerlei „Viechzeugs“ kennenlernte. Oftmals hat sie sich fürchterlich erschrocken und Vieles ist ihr bis heute nicht geheuer, doch Lilly hat mittlerweile gelernt, dass Hautfarbe und Ohrenform nicht unbedingt immer Rückschlüsse auf den Charakter zulassen. Fest steht: Es gibt „gutes Viechzeugs“ und „böses Viechzeugs“ und viele Wunder in der Welt… Helios und Luna werden sich schon was dabei gedacht haben!

Mächtigen Eindruck haben offensichtlich die Elben bei ihr hinterlassen: Es sind die einzigen Wesen außerhalb der Fraternitas Templi, von denen Lilly Anweisungen annimmt…  

 

Überhaupt die FT, „ihre“ FT… auf die lässt sie nichts kommen, aber nicht das geringste Bisschen! Dass sie diesen ehrenhaften Beschützern des Vaterlandes dienen darf, macht sie schon sehr stolz!

Vielleicht liegt das auch daran, dass sie die erste ihrer Familie ist, die solch eine regelmäßige Anstellung vorweisen kann. Denn schon die Mutter und die Großmutter waren Marketenderinnen – was und wo davor war, kann keiner mehr berichten, denn beide zogen durch die Lande. Erst mit der kleinen Lilly im Bauch beschloss ihre Mutter Adelheid, in Ak’Marant zu bleiben und es Heimat zu nennen, weil sie fand, besser könne es nicht werden. Und so wundert es nicht, dass Lilly bei all den Reisen vor allem zu einer Schlussfolgerung gekommen ist:  „Erst wenn man mal weg war, weiß man so richtig, wie schön es zu Hause ist!“

 

Der FT würde sie dennoch bis ans Ende der Welt folgen. Wer würde denn sonst auf die Herren aufpassen? Sie versorgen und sich um ihr stetes Wohlbefinden kümmern? Wenn das bedeutet, sich bis zur vordersten Front durchzuschlagen, um den durstigen Kämpfern den ersehnten Schluck Wasser zu bringen, dann macht man das eben! Und wenn der Feind unbedingt in Windeseile anrücken muss, ehe man einen ordentlichen Wegkorb mit kräftigenden Happen und Getränken fertig hat, dann riskiert man eben einen Pfeil in den Hintern! (Natürlich verlässt sie sich dabei auch darauf, dass „ihre Herren“ schon wissen, was sie an ihr haben und ein wenig auf sie aufpassen werden… man hängt da einfach zusammen drin und geht dann auch zusammen durch. Das ist vielleicht, was ihr an der FT am Besten gefällt, diese Brüderlichkeit und Gemeinschaft, auf die man immer bauen kann, und die auch für alle jene gilt, die mit ihr ins Feld ziehen.)

 

Erstmals hat sie die FT ins Manöver begleitet, sechs Sommer ist das jetzt schon her. Woher der Verdacht kam, sie sei schlecht für die Moral der noch ungefestigten Vigilanten und Novizen und dürfe nur Umgang mit der Geistlichkeit und den Equiten haben, ist ihr bis heute nicht ganz klar. Vater Acritus konnte den Vorfall damals zum Glück schnell beilegen!

 

Nur noch einmal kam Lilly seitdem in Konflikt mit dem Gesetz, wieder durch unglückliche Verkettungen, die dazu führten, dass sie bei einem Kapitän für eine Überfahrt von Mythodea anheuerte, der sich während der Reise als Pirat erwies… Auf „Beihilfe“ lautete die Anklage, Lilly sah schon alle Hoffnung schwinden, da stellte sich ihre gänzliche Unschuld heraus und sie konnte die gerechte Buße tun.

 

Auf Anraten von Punitor Ansgar hat sie sich mittlerweile ein großes Ziel gesteckt: Sie will genügend Silber und Gold sparen, um für die FT ein mobiles Badehaus zu kaufen. Vielleicht gemeinsam mit dem Herrn Bakos, man wird sehen. In den letzten paar Jahren ist jedenfalls schon ordentlich was zusammen gekommen. Vielleicht dauert es gar nicht mehr lange, und man wird den Protector Patriae im rollbaren Zuber auf dem Schlachtfeld sehen, wie er Streiter zu Ak’Marant befehligt?


Finanziell ist es für Lilly jedenfalls bestens gelaufen, seit sie in regelmäßigen Diensten der Fraternitas steht. So traurig es ist – der Krieg ist halt gut fürs Geschäft. Nichts, worüber man sich freuen kann, aber auch nichts, worauf man Einfluss hat. Leider. Krieg begleitet eine Marktenderin ihr Leben lang, so wie der Waschzuber und der Kochtopf. Aber die letzten zwei Jahre waren doch schlimmer, als alles, was sie bisher erlebt hat… als die „Zeit der Zwietracht“ ihren Höhepunkt erlebte… als Ak’Marant beinahe in die Finsternis stürzte… als der Krieg zu Schallerfurt sein furchtbares Ende fand… und als Lilly selbst in die Fänge des letzten existierenden Akrolyten geriet… Es war einen Lunalauf vor dem Sturm auf Schallerfurt, da rastete sie einen Abend lang im „Schwarzen Walfisch“ zu Wallersgrund. Dort traf sie einen reichen Kaufmann, der ihrer Meinung nach zwar etwas kauzig und verwirrt war (wollte Straßen auf Brücken nach Moorenheim bauen, hat man so was schon mal gehört…), aber das soll bei reichen Leuten ja öfter vorkommen. Er zahlte gut und pünktlich und verlangte nicht viel, was will man mehr? Bis sie sich dem Tross der Dritten Armee unter General Heinrich Amantus anschließen sollte, war noch genug Zeit und so heuerte sie für eine Woche beim Herrn Egidius Snörkelberg an – nicht ahnend, dass sich hinter der feinen Maske des Geschäftsmannes das Böse selbst verbarg: der Marquis de la Roche, der Akrolyt der Zwietracht! Wochenlang diente sie ihm ohne ihr Wissen und es gelingt ihr immer noch nicht, sich an alles zu erinnern, doch fest steht, dass Lilly die eigenen Reihen immer wieder verraten hat und Zeugin, ja sogar Mithelferin blutiger Rituale und Morde wurde. Wie das alles mit dem Geheimbund des „Habichts“ zusammenhängt, ist noch nicht ganz klar. Jedenfalls wurde sie gleich nach der Rückeroberung der Feste Schallerfurt dessen Geisel und konnte von Vater Acritus nur durch einen gefährlichen „finalen Schuss“ befreit werden. Gerettet, um nur einen Tag später beinahe dem Marquis selbst zum Opfer zu fallen! Auch hier kam Hilfe erst in letzter Sekunde – der Akrolyt hatte im Moment seiner endgültigen Niederlage nichts mehr zu verlieren und nur ein Lachen übrig für Lillys flehentliche Bitten… So hat sie den Höhepunkt der Kämpfe um die Seele Ak’Marants viel unmittelbarer miterlebt, als irgendjemand lieb sein kann – war viel mehr Teil der Geschichte, als sie verkraften konnte. Die Vernichtung des Akrolyten hat sie befreit, was sie ausgiebig gefeiert hat. Doch dann folgten Wochen der Finsternis. Getrieben von der inneren Notwendigkeit, sich zu erinnern, suchte – und fand – sie grausame Bilder, zunächst bruchstückhaft, wie Scherben aufblitzend im Dunkel, dann nach und nach entsetzliche Wahrheiten offenbarend, von Lug und Trug und Frevel und Mord. Und der Frage nach sich selbst in diesem ganzen Wahn… kann man sich selbst noch trauen oder Vertrauen von anderen erhoffen, nachdem man sich so unwürdig erwiesen hat? Kann man selbst noch anderen vertrauen? Wie schnell können Intrige und Gier die Menschen verändern, wie leicht finden finstere Mächte halt… und die schlimmste aller Fragen: Wieso ich? Bin ich vielleicht besonders anfällig? Hätte sie in dieser Zeit nicht gleichzeitig wunderbare Zeugnisse von Freundschaft und Vertrauen erlebt, wer weiß, was geworden wäre, ohne die bodenständigen Moorenheimer Gorm und Calendra, ohne die Begleitung und den Trost von Vater Willem und der Luna-Priesterin Serenity. Die beiden Geweihten haben Lilly auch geholfen, die Opfer der Untaten des Akrolyten aufzusuchen und sie bemühte sich, zumindest finanziell Wiedergutmachung zu leisten. Gemeinsam unternahmen die Drei anschließend eine Pilgerfahrt zum Luna-Kloster in El Asamar, wo Lilly viele Wochen verbrachte und ihre Lebensfreude schließlich wiederfand – und vieles lernte, selbst in Bereichen, in denen sie sich gut informiert glaubte! So ist diese Zeit nicht nur ihrer Seele, sondern auch den Gästen im Massagestübchen zugute gekommen… Doch Spuren werden bleiben. Schlachtfelderfahrung, im Kampf verletzt werden, das ist eine Sache. Aber die Macht der Finsternis am eigenen Leib zu spüren, das ist doch eine ganz andere. Erstmals hat sie wirklich verstanden, welche Opfer der Kampf für das Licht manchmal fordert – und welch große Kraft im Glauben liegt. Die Beichte von Vater Acritus zu hören, selbst Vergebung zu erfahren, die Nähe Lunas unmittelbar zu spüren, all das hat ihre Treue zum Heiligen Paar ins Unerschütterliche bestärkt. Die Lilly nach Schallerfurt ist vielleicht etwas ernster, aber auf jeden Fall stärker. Auf die spontane Einladung von Gorm Thannhaus hin hat Lilly einen Winter in Moorenheim verbracht und dort an langen, dunklen Abenden so manche Freundschaft am Herdfeuer tief gefestigt. Gorm hat ihr „sein“ Moorenheim gezeigt – tückisch, tödlich, aber zugleich voller Wunder für diejenigen, die bereit sind, sich auf das Land einzulassen und von ihm zu lernen. Eine faszinierende Zeit in einer Welt, die ihr manchmal fast unwirklich erschien. Die üblichen Vorurteile gegenüber Moorenheim ärgern sie daher zunehmend! Kürzlich kam es dann zu einer gänzlich unerwarteten Wendung in Lillys Leben – und alles begann mit einer bierseelig-verschusselten Bemerkung von Equit Siegmar-Impetus, der eines Abends sagte: „Bruder Lilly, hol mir noch was zu trinken!“ Nachdem alle Anwesenden herzhaft gelacht hatten, wurden sie auf den Fürsten aufmerksam, der höchstelbst den Feldzug anführte und nachdenklich am Kopf der Tafel saß. Und schließlich mit feinem Lächeln sagte: „Ja, warum eigentlich nicht?“ und sich der Marketenderin zuwandte: „Lilly, möchtest du Novize der Fraternitas Templi werden?“ Ein jeder, der von Ak’Marant und seinen Streitern auch nur gehört hat, kann sich diesen Paukenschlag vorstellen. Irgendwann hatte auch Lilly begriffen, dass der Fürst nicht scherzte und konnte vor lauter wirbelnder Gedanken kaum ein Wort hervorbringen – aber sie fiel auf die Knie, dankte ihm und sagte JA! Denn so verrückt die ganze Situation nun ist, da gibt es ja wohl nicht das Geringste zu überlegen! Keine, die noch bei Sinnen ist, würde ein solches Angebot ausschlagen! Der Fraternitas nicht nur zu dienen, sondern selbst ein Mitglied dieses Ordens zu sein – und das als Frau! Da braucht man keine besondere Schulbildung, um zu begreifen, dass man gerade im Mittelpunkt von etwas Historischem steht. Mittlerweile hat sie durchaus mitbekommen, dass nicht alle Equiten die Entscheidung des Fürsten begrüßen. Aber das war wohl kaum anders zu erwarten, bei aller Ergebenheit. So ist Lilly wild entschlossen, zumindest ihr Allerbestes zu geben, um es zu schaffen – auch, um zu beweisen, dass Grimmwald Prius mit seinem Einfall recht hatte. Im Rahmen der Fürstlichen Jagd, zu der er für den neunten Monat geladen hat, soll mit der Novizenweihe ihre Aufnahme in den Orden besiegelt werden…
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